Die Heilige Johanna
von George Bernard Shaw
Regie: Manfred S. Macori
Mit Enthusiasmus und Überzeugungskraft gelingt es dem Bauernmädchen Johanna, ihr patriotisches Ziel, das sie sich in den Kopf gesetzt hat, zu erreichen: Orléans von den Engländern zu befreien und den Dauphin in Reims zum König von Frankreich zu krönen. Dem Schlosshauptmann von Baudricourt schwatzt sie Rüstung und Pferd ab, um ins französische Lager zu reiten. Im Ritter Bertrand von Poulengey gewinnt sie sich einen wehrhaften Begleiter. Ihr Scharfsinn findet den Thronfolger, der sich furchtsam verkrochen hat, unter dem Gefolge heraus, und sie erzieht ihm etwas Selbstbehauptung gegenüber den Hofleuten an. Einige glückliche Zufälle – im rechten Augenblick entdecken die Hühner ihre Legefreude, bläst der Wind in die rechte Richtung – sichern ihr den Ruf einer Wundertäterin. Mit dem Kampfruf „Gott und die Jungfrau!“ begeistert sie das entmutigte französische Heer, übernimmt das Kommando, befreit Orléans und erreicht die Krönung des Dauphins in Reims. Johanna will nun den militärischen Erfolg nutzen und ganz Frankreich von der englischen Herrschaft befreien.
Aber da die Krisensituation bewältigt ist, will man auch die Ausnahmeerscheinung Johanna gern loswerden. Der frischgebackene König Karl VII. schielt nach einem bequemen Frieden. Der Erzbischof und die Militärs pochen auf ihre alten Vorrechte. Und da die Jungfrau ihrer weiblichen Eitelkeit nachgibt und ihre auffallende Prunkrüstung trägt, wird sie von den Burgundern erkannt und gefangengenommen. Gegen ein Lösegeld gerät sie in die Gewalt der Engländer und wird in Rouen vor das Tribunal der Inquisition gestellt. Der englische Feldherr Warwick sieht in Johannas Appell an die Franzosen zur nationalen Einigung die Staatsordnung des Mittelalters bedroht, wo allein der jeweilige Lehnsherr, nicht aber die Nation der ideelle Mittelpunkt sein durfte. Und Cauchon , der Bischof von Beauvais, verfolgt in Johanna die Ketzerin, weil die direkt – ohne Vermittlung der Priester – die Gebote des Himmels erfüllt. Der englische Kaplan Stogumber, Zerrbild eines nationalistischen Eiferers, will in pathologischem Vernichtungsrausch das Mädchen brennen sehen. Johanna wird zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. In einem Augenblick der Verzagtheit widerruft sie und wird zu lebenslänglicher Haft begnadigt. Solch lebendiger Tod im Kerker scheint ihr noch schrecklicher. Sie zieht den Widerruf zurück und stirbt auf dem Scheiterhaufen. Stogumber bricht während der Hinrichtung zusammen – er kann es nicht ertragen, die grauenhaften Folgen seines Fanatismus mit anzusehen.