Becket
Jean Anouilh
Regie: Klaus Dieter Wilke
Becket oder die Ehre Gottes
König Heinrich II macht seinen Freund Thomas Becket zum Erzbischof von Canterbury. Jahrelang war Becket der zügellose Kumpan des Königs gewesen – nun soll er ein willfähriger Kirchenfürst sein. Mit seinem neuen Amt wird Becket jedoch zum unnachsichtigen Gottesstreiter. Er wird ein „neuer Mensch“, der kompromisslos für die „Ehre Gottes“ gegen die Ansprüche der Krone kämpft und sich so die Feindschaft des Königs zuzieht. Heinrich lässt ihn durch seine vier Barone ermorden und verehrt ihn später als Heiligen.
Mit seiner Selbstgeißelung büßt der König den Mord an seinem Erzbischof – ein kluger Schachzug für die Öffentlichkeit, der politischen Vorteil bringt.
Geschichtlicher Hintergrund „Becket oder die Ehre Gottes“
In diesem Stück geht es auf den ersten Blick um die Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche. Konkret darum, wer in England um das Jahr 1150 bestimmen soll: Heinrich Plantagenet, der englische König oder Thomas Becket, der Erzbischof von Canterburry.
Aber das ist nur die Oberfläche dieser Auseinandersetzung, denn es geht um anderes: um die Problematik einer Freundschaft. Heinrich und Becket waren enge Freunde. Zwei Menschen sind sich nahe gekommen, die gegensätzlicher kaum sein können. Heinrich, der in seiner Rolle als König sehr unsicher, ja fast ängstlich wirkt, bewundert seinen witzig-geistreichen Freund Thomas. Und dies umso mehr, als dieser Thomas Becket, Angehöriger des von den Normannen unterdrückten und misshandelten Volkes der Sachsen, es immer wieder versteht, durch seine spielerisch eingesetzte, faszinierende Klugheit das eindimensionale Denken des liebenswert-pubertären Heinrich zu lenken.
Heftige politische Widerstände erwachsen dem König, als er seinen Freund zum Kanzler macht. Becket betreibt zunächst – ganz im Sinne Heinrichs – eine antikirchliche Politik und forciert die Macht des Staates. Um Macht und Einfluss der Kirche auf lange Zeit zu minimieren, ernennt der König seinen Kanzler schließlich sogar zum Erzbischof. Becket, der sich Heinrichs Plänen anfangs heftig widersetzt, erfüllt das neue Amt mit der ihm eigenen Konsequenz. Er, der bisher auf der Suche nach einer Aufgabe, oder soll man sagen auf Sinnsuche war, dem die Ausübung von Macht nie wirkliches Anliegen war, findet jetzt in der Verteidigung geistig-geistlicher Werte, in der Verteidigung der Religion gegen den Machtanspruch des weltlichen Herrscher.